Bühne für Geschichtsrevisionisten

Quelle: Blick nach Rechts

VON KAI BUDLER

20.07.2017 – Vor 25 Jahren wurde der extrem rechte Verein „Gedächtnisstätte e.V.“ mit Sitz in Vlotho eingetragen. Auch seit seinem Umzug ins thüringische Guthmannshausen 2011 bietet der Verein bei seinen Veranstaltungen Holocaust-Leugnern und Geschichtsfälschern ein Podium.

Was ist eigentlich los in diesem Land?“ fragte Mitte Juli der AfD-Fraktionsvorsitzende im hessischen Heusenstamm, Carsten Härle, und beschwerte sich, dass die „Gedenkstätte Opfer staatlicher Zerstörung“ geworden sei. Härle bezog sich dabei auf eine Pressemitteilung des extrem rechten Vereins „Gedächtnisstätte“, der seit 2011 im Rittergut in Guthmannshausen in Thüringen residiert. Die Immobilie war im Juni dieses Jahres eines von mehreren Zielen von Razzien in Niedersachsen und Thüringen. Bei den Durchsuchungen in 14 Objekten waren Waffen, Munition, Drogen, Propagandamaterial sowie Handys und Computer sichergestellt worden. (bnr.de berichtete) Die Ermittlungen wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung richteten sich gegen 13 Personen aus dem Holocaust-Leugner-Netzwerk „Europäische Aktion“. Darunter befand sich auch der langjährig aktive Neonazi Martin G., der Hausmeister des Gebäudes in Guthmannshausen.

Geschichtsrevisionistisches Zentrum im thüringischen Guthmannshausen; Photo: K.B.

Mit der Durchsuchung rücken der Verein und seine Aktivitäten im 25. Jahr seines Bestehens erneut in den Blickpunkt der Öffentlichkeit. Allein der Blick auf einige Referenten im zweiten Halbjahr zeigt: Der Verein „Gedächtnisstätte e.V.“ mit guten Kontakten zu neonazistischen Gruppen ist von großer Bedeutung im Netzwerk der Holocaust-Leugner und Geschichtsrevisionisten. In diesem Netzwerk genießen die Referenten der Vorträge und des Jubiläumsfests großes Ansehen.

Bernhard Schaub als Redner

Am 5. August referiert beispielsweise Paul Latussek (Jg. 1931) über das Thema „Missachtung des Völkerrechts gegenüber dem Deutschen Volk — vertritt die BRD Regierung noch deutsche Interessen?“. Der Schatzmeister der „Gedächtnisstätte e.V.“ und ehemalige Vizepräsident des „Bundes der Vertriebenen“ (BdV) ist wegen Volksverhetzung verurteilt. Außerdem war er langjähriger Vorsitzender der Landesgruppe Thüringen der Landsmannschaft Schlesien, die aus der Bundeslandsmannschaft Schlesien ausgeschlossen worden war. Grund war die Fortsetzung der Kooperation mit der Schlesischen Jugend (SJ) in Thüringen, nach deren rechtsextremen Umtrieben sich die übrigen Landesverbände von ihr distanziert hatten. Zuletzt machte Latussek von sich reden, als er 2013 zur Gründung des AfD-Verbandes Ilmkreis eingeladen hatte.

Mit einer Rede über „Götter, Mythen und Rituale in den Großreichen der Vergangenheit“ folgt am Rednerpult in Guthmannshausen Bernhard Schaub aus Mecklenburg Vorpommern. Der Holocaust-Leugner gründete 2010 in der Schweiz die „Europäische Aktion“ (EA) und führte bis zum Verbot im Mai 2008 den „Verein zur Rehabilitierung der wegen Bestreitens des Holocaust Verfolgten“. In dessen Vorstand saß auch Ursula Haverbeck-Wetzel, die 1992 die „Gedächtnisstätte e.V.“ mitbegründete. Die mehrfach verurteilte Holocaust-Leugnerin stand zuletzt 2017 wegen Volksverhetzung und der Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener vor Gericht und wurde zu einer mehrmonatigen Haftstrafe verurteilt. Zwei andere Prozesse waren vorerst geplatzt, weil Haverbeck-Wetzel angeblich verhandlungsunfähig ist.

Referenten aus dem „Ludendorffer“-Spektrum

In die Reihe der Geschichtsrevisionisten reiht sich auch Friedrich Bode, Pastor im Ruhestand, ein, der 2015 erklärte: „Solange wir keinen Friedensvertrag haben und uns die Medienhoheit versagt wird, sind wir ein besetztes Land“. Er besuchte den Antisemiten Horst Mahler im Gefängnis, den er als „politischen Gefangenen“ und „Robin Hood gegen die Raubbanker“ bezeichnete.

Mit der Ankündigung von Vorträgen von Adelheid Duppel, Matthias Köpke und Nordfried Preisinger sind zugleich drei Personen aus dem Netzwerk des antisemitisch-völkischen „Bunds für Gotterkenntnis (Ludendorff)“ (BfG) im „Gedenkstätte“-Programm des zweiten Halbjahres vertreten. Duppel aus dem südniedersächsischen Einbeck ist Leiterin des „Arbeitskreises für Lebenskunde“ (AfL), der für die Jugend des BfG zuständig ist. Adelheid Duppel wird im Programm der „Gedächtnisstätte“ lediglich als „Mutter von vier Kindern“ präsentiert. Zum AfL gehört auch der ehemalige Berufsschullehrer Nordfried Preisinger aus Schleswig Holstein, der in Guthmannshausen der Frage „Können Dogmen sinnvoll sein“ nachgeht.

Vereinsvorsitzender beim „Ahnenstätten“-Treffen

Auch Matthias Köpke wird den „Ludendorffern“ zugerechnet und veröffentlichte unter anderem im Stammverlag des BfG, dem Verlag Hohe Warte im oberbayerischen Pähl, mehrere Bücher zur antisemitischen Ludendorff-Ideologie. Doch die Verbindungen scheinen zweiseitig zu sein: So reiste der Vorsitzende des Vereins „Gedächtnisstätte e.V.“, Wolfram Schiedewitz, im Juni dieses Jahres zu einem „Ahnenstätten“-Treffen der Ludendorff-Anhänger im ostwestfälischen Seelenfeld. (bnr.de berichtete)

Auf der Liste der angekündigten Referenten in Guthmannshausen stand auch der frühere Chef des Thüringer Verfassungsschutzes, Helmut Roewer, der 2000 wegen mehrerer Affären suspendiert worden war. Während seiner sechsjährigen Dienstzeit war das NSU-Trio Beate Zschäpe, Uwe Böhnhard und Uwe Mundlos untergetaucht. Roewers Amtsführung wurden anschließend gravierende Fehler bei Personalwahl, -struktur und -führung attestiert. Inzwischen lebt der Ex-VS-Präsident als „freiberuflicher Schriftsteller“ und publiziert unter anderem im rechtspopulistischen „Compact“-Magazin von Jürgen Elsässer und im extrem rechten Ares-Verlag aus Linz.

Ende 2015, als die Flüchtlingszahlen in Deutschland anstiegen, erklärte Roewer in einem Interview, es werde einen „Umsturz“ geben, falls den Sicherheitsbehörden der Befehl erteilt würde, „gegen das eigene Volk vorzugehen“. Die Aktivitäten gegen Pegida wären von der „öffentlichen Hand gefördert“, behauptete er. Um gegen Pegida zu demonstrieren, würden die Behörden „stadt- oder landesbekannte Gewalttäter“ dorthin „schleppen“. Roewer teilte jetzt mit, er sei vom Verein „Gedächtnisstätte“ ohne sein Wissen als Redner aufgeführt worden. Nachdem er dem Verein rechtliche Schritte androhte, ist die entsprechende Ankündigung von der Homepage inwischen verschwunden.